EGMR, Urteil vom 26.06.2012, Nr. 9300/07

Herrmann gegen Deutschland – Art. 1 des ersten EMRK-Zusatzprotokolls

Der Kläger in diesem Verfahren war Eigentümer ländlicher Grundstücke in Rheinland-Pfalz. Diese gehörten nach den einschlägigen Rechtsvorschriften zu einer Jagdgenossenschaft, sodass auf den Grundstücken Jagd stattfand. Der Eigentümer hatte insoweit kein Recht, die Jagd zu untersagen oder Jäger am Betreten seiner Grundstücke zu hindern.

Hiergegen klagte er und erhob zuletzt eine Menschenrechtsbeschwerde wegen Verletzung seines Eigentumsrechts. Sein Motiv lag in erster Linie darin, dass er Jagd aus ethischen Gründen ablehnte.

Der Staat sah in den Regelungen zur Jagd eine gerechtfertigte Einschränkung des privaten Eigentums. Das allgemeine Interesse an einer geordneten Jagdausübung stehe hier im Vordergrund. Außerdem könne der Grundstückseigentümer dafür eine Entschädigung verlangen.

Der EGMR sah hier eine Verletzung des Eigentumsrechts. Es stelle eine unverhältnismäßige Last dar, die Jagd entgegen seinen Überzeugungen auf dem eigenen Grundstück dulden zu müssen. Die vorgesehene Entschädigung reiche nicht aus, um einen gerechten Ausgleich der Interessen herbeizuführen.

EGMR, Urteil vom 20.11.2007, Nr. 44294/04

Omwenyeke Deutschland – Art. 2 und 3 des vierten EMRK-Zusatzprotokolls

Die innerstaatliche Freizügigkeit nach Art. 2 und 3 des vierten EMRK-Zusatzprotokolls gilt nur für Bürger des Staates und sich legal dort aufhaltende Ausländer.

Die Residenzpflicht für Asylbewerber, die diese dazu verpflichtet, den ihnen zugewiesenen Landkreis nicht zu verlassen, verstößt daher nicht gegen die Menschenrechte. Solange Asylbewerber nicht endgültig als Flüchtlinge oder Asylberechtigte anerkannt sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen legalen Aufenthalt handelt.

EGMR, Urteil vom 30.06.2008, Nr. 22978/05

Gäfgen gegen Deutschland – Art. 3 und 6 EMRK

In diesem sehr bekannten Verfahren ging es um strafverfahrensrechtliche Fragen sowie um das Folterverbot.

Kernsätze des Urteils

  • Es gibt keine Ausnahmen vom Folterverbot aus Art. 3 EMRK. Auch Kerninteressen des Staates und das Leben anderer Menschen erlauben keine Gewaltanwendung zur Erlangung von Aussagen („Rettungsfolter“).
  • Bereits die Bedrohung mit einer unmittelbar bevorstehenden Folterung ist eine unmenschliche Behandlung.
  • Aussagen, die unter Verletzung von Art. 3 EMRK erlangt werden, dürfen nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren herangezogen werden.
  • Beweismittel, die aufgrund einer solchen unverwertbaren Aussage aufgefunden wurden, also indirekt auf den Verstoß zurückgehen, dürfen grundsätzlich nicht verwendet werden. Eine Verwendung stellt einen Verstoß gegen das faire Verfahren (Art. 6 EMRK) dar. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Aussagen später ohne Zwang oder Drohung wiederholt wurden.

Drohung mit Folter bei erstem Verhör

Folter gehört ins Mittelalter und nicht in ein modernes Strafverfahren. Art. 3 EMRK statuiert ein absolutes und ausnahmsloses Folterverbot.
Folter gehört ins Mittelalter und nicht in ein modernes Strafverfahren. Art. 3 EMRK statuiert ein absolutes und ausnahmsloses Folterverbot.
Der Antragsteller war Beschuldigter eines Ermittlungsverfahren gegen ihn. Er wurde – zutreffenderweise – beschuldigt, einen Elfjährigen entführt zu haben, um dessen Eltern zu erpressen.

Unmittelbar nach seiner Verhaftung wurde er durch die Polizei verhört. Diese ging davon aus, dass das Entführungsopfer noch am Leben sein könnte, sich aber in einem möglichen Versteck ohne ordentliche Versorgung in Lebensgefahr befände. Daher wurde er unstreitig mit verschiedenen Gewaltmaßnahmen bedroht, sollte er den Aufenthaltsort des Kindes nicht sofort verraten.
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EGMR, Urteil vom 07.02.2012, Nr. 39954/08

Axel-Springer-Verlag gegen Deutschland – Art. 10 EMRK

Auch ein Zeitungsverlag kann sich auf die Meinungsfreiheit berufen. Wird eine Berichterstattung verboten, müssen hierfür triftige Gründe vorliegen.
Auch ein Zeitungsverlag kann sich auf die Meinungsfreiheit berufen. Wird eine Berichterstattung verboten, müssen hierfür triftige Gründe vorliegen.
Die Bild-Zeitung aus dem Axel-Springer-Verlag hatte über die Festnahme und Verurteilung eines bekannten Schauspielers wegen Drogenbesitzes berichtet. Die Berichterstattung erfolgte mit Bildern und voller Namensnennung. Hiergegen erhob der Betroffene Unterlassungsklage, die er letztinstanzlich auch gewann.

Der Verlag sah dadurch sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) verletzt. Dem schloss sich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an.

Der unstrittige Eingriff in die Meinungsfreiheit sei nicht durch das Persönlichkeitsrecht des Schauspielers gedeckt. Denn die Berichterstattung sei sachlich korrekt gewesen, neutral erfolgt und habe sich lediglich um diese Angelegenheit gedreht, ohne das Privatleben des Betroffenen unnötig zu thematisieren.

Daher stelle die gerichtliche Unterlassungsverfügung einen (wenngleich milden) Eingriff in die Meinungsfreiheit des Verlags dar.

EGMR, Urteil vom 25.10.2018, Nr. 76607/13

Bikas gegen Deutschland – Art. 6 Abs. 2 EMRK

Der Beschwerdeführer war in Deutschland wegen ungefähr 300 Sexualdelikten angeklagt, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt haben sollen.

Wer nicht verurteilt wurde, gilt als unschuldig – sog. „Unschuldsvermutung“.
In der 17 Tage dauernden Hauptverhandlung kam das Landgericht zu der Überzeugung, dass vier dieser Straftaten hinsichtlich aller Umstände, Ort und Zeit nachgewiesen seien. 50 weitere Straftaten hätten sicher stattgefunden, die genauen Umstände ließen sich aber nicht mehr ermitteln. Hinsichtlich der übrigen Straftaten sei ein Tatnachweis nicht erbracht.

Gericht hat Gegenstand des Urteils eingeschränkt

Darum stellte das Gericht das Verfahren am letzten Hauptverhandlungstag wegen aller bis auf die erstgenannten vier Straftaten ein. Rechtsgrundlage war § 154 StPO, wonach eine Beschränkung der Verfolgung auf einzelne Taten möglich ist, wenn die übrigen keine wesentlich höhere Strafe erwarten lassen.

„EGMR, Urteil vom 25.10.2018, Nr. 76607/13“ weiterlesen